Möllner Rede im Exil und reclaim and remember-Konzert dieses Jahr in Bremen Gedenken ist immer auch ein Erinnern an Gewalt. Und es macht gewalttätige Strukturen sichtbar. Strukturen, die diese Gesellschaft prägen, Hetzreden und Pogrome und Morde ermöglichen. Rechte, rassistische und neonazistische Strukturen. Strukturen von Damals. Strukturen von Heute.
Das Haus der Familie Arslan wurde am 23.11.1992 von neofaschistischen Tätern mit Molotow-Cocktails angezündet. Bei dem Anschlag wurden die 10jährige Yeliz Arslan, die 14jährige Ayse Yilmaz und die 51jährige Bahide Arslan ermordet. Weitere Familienmitglieder wurden teilweise sehr schwer verletzt. Zuvor hatten die Neonazis bereits einen Brandanschlag auf die Ratzeburger Straße 13 verübt, wo ebenfalls Menschen türkischer Herkunft wohnten. Neun von ihnen erlitten schwere Verletzungen.
Rechte Hetze und Angriffe, Anschläge auf geplante und bestehende Flüchtlingsunterkünfte und deren Bewohnerinnen sind 2015 wieder alltäglich geworden. Angehörige der Ermordeten und Überlebende rassistischer und neonazistischer Gewalt benennen diesen alltäglichen Rassismus. Schildern manchmal offen, wie es ihnen tatsächlich geht. Damals und Heute. Verschaffen sich Gehör. Fordern Antworten.
Deswegen bedeutet Solidarität den Betroffenen zu begegnen. In ihrem Alltag. Auf Augenhöhe. Auf Austausch bedacht. Mit offenen Ohren. Und weitem Herzen. Es gibt nicht den oder die Betroffene. Es gibt viele Erfahrungen und Geschichten. Viele Verletzungen. Viele Wünsche und Bedürfnisse. Viele Perspektiven. Sie gilt es zu hören. Aus der Vereinzelung zusammenzubringen. Zu vernetzen. Und so Erinnerungspolitiken herauszufordern. Als Kollektiv in der Vielfalt.
Die Erinnerung überhaupt zu erkämpfen – an das Geschehene, an das Vergessene, an das Verschwiegene, an das unter den Teppich Gekehrte, an die Ursachen und die Folgen, an das Davor und das Danach. Diese Forderungen sind nach wie vor aktuell.
Es gibt noch viel zu tun.
Der »Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992« besteht aus Mitgliedern und Freund*innen der Familie Arslan und Einzelpersonen verschiedener anti-faschistischer und anti-rassistischer Gruppen.
Mölln-Gedenken in Bremen? Die Vorgeschichte
Seit zwei Jahren wird das Gedenken vor dem Brandhaus von der Familie Arslan und dem sie umgebenden Freundeskreis ohne Beteiligung der Stadt Mölln organisiert. Viele Jahre lang wurde Familie Arslan an den Gedenktagen übergangen, nicht begrüßt und an der Vorbereitung der Gedenkveranstaltungen nicht beteiligt. In den letzten Jahren hatte sich die Situation an einigen Punkten verbessert, an anderen Punkten jedoch auch wieder zugespitzt. Unter anderem wurde die Möllner Rede als kritische Bestandsaufnahme zum gesellschaftlichen Rassismus und Neonazismus aus den offiziellen Gedenkveranstaltungen gestrichen. Seitdem organisiert der Freundeskreis die „Möllner Rede im Exil“, jedes Jahr in einer anderen Stadt in Norddeutschland. Dieses Jahr heißt die Stadt Bremen und der Redner Argyris Sfountouris, Überlebender
des Wehrmachtsmassakers in dem griechischen Ort Distomo.
Der »Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992« organisiert in diesem Jahr verschiedene Gedenkveranstaltungen zu diesem Thema.
Gedenkveranstaltungen:
Samstag, 7. November 2015, 16 Uhr, Foyer im Theater Bremen, Goetheplatz 1-3,
Möllner Rede im Exil. Es sprechen: Argyris Sfountouris, Überlebender des SS-Massakers
im griechischen Distomo vom 10. Juni 1944 und Angehörige der Familie Arslan
Montag, 23. November 2015, 15-19 Uhr, Bahide-Arslan-Haus, Mühlenstraße 9, Mölln
Reclaim and Remember, Offenes Gedenken an Bahide und Yeliz Arslan und Ayse YilmazFreitag,
27. November 2015, 20 Uhr, Schlachthof Bremen, Findorffstr. 51
Reclaim and Remember. Solidaritätskonzert für die Betroffenen rassistischer und
neonazistischer Gewalt. Mit:
Neonschwarz , ein gemeinsames Projekt von Johnny Mauser, Marie Curry, DJ Spion Y und Captain Gips. Alle für sich talentierte Artists, Rapper*innen, DJs und Sprüher*innen – Vier Haudegen mit Herz und Hirn, die mit Vorliebe linke Haken verteilen und Rap aus Hamburg wieder nach vorne bringen. Acht Fäuste für ein Hip Hop Hallelujah! The Future Is Still Unwritten ist ein Rap-Projekt von Daisy Chain aus Athen, Kronstadt aus Barcelona und Refpolk aus Berlin. Es ist ein Zeichen des Widerstands und der Utopie in Zeiten von Krise und angeblicher Alternativlosigkeit, das über nationale Grenzen hinausgeht: Drei Auftritte in drei verschiedenen Sprachen von Menschen aus unterschiedlichen Kontexten, die auf der Bühne ein gemeinsames Statement setzen für eine Welt frei von Kapitalismus und Herrschaft. Live werden Daisy Chain, Kronstadt und Refpolk von Mis Zebra (Athen) und DJ KaiKani (Berlin) unterstützt. Melanie Wharton, Onejiru & Chassy Wezar bereits 2012 ist die afrodeutsche Frauenband SISTERS zusammen mit Samy Deluxe und Jan Delay bei dem Gedenkkonzert für die Familie Arslan
in Mölln dabei gewesen. Die Hamburger Sängerin und Politaktivistin Onejiru und die Raperin Melanie Wharton aus Düsseldorf, beide Gründungsmitglieder von SISTERS, werden jetzt erneut bei dem Bremer Gedenkkonzert auf der Bühne stehen. Zusammen mit dem Dub & Soul Newcomer Chassy Wezar aus Hamburg werden sie ein gemeinsames Set performen, dass den Zuschauer*innen lange in Erinnerung bleiben wird. Schwarz auf Weiß legen viel Wert auf Stil, bauen eingängigen und hookfreudigen Vorwärtsdrang in kernigen Garagen-Soul-Punk ein, was dann samt Orgel, Saxophon und Posaune so klingt, als tobe einscheppernder Hybrid aus Franz Ferdinand, Superpunk und Family 5 durch das Wohnzimmer. Alte Bremer Kombo, die an diesem Abend unbedingt dabei sein muss!!!
FRN Die Möllner Rede gehalten im Exil von Argyris Sfountouri